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#frauenmachengeschichte an der Humboldt-Universität

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Hedwig Dohm, Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht, war Gasthörerin an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1922 habilitierte hier die erste Physikerin in Deutschland. Die feministische Sommeruniversität findet an einem historischen Ort statt. Auf die Spur von Frauen und ihrer Geschichte begab sich Lina Schlottmann.
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber drauf an, sie zu verändern“, mahnt die 11. Feuerbachthese von Karl Marx in goldenen Lettern alle Besucherinnen und Besucher beim Betreten des denkmalgeschützten Foyers der Humboldt-Universität zu Berlin.
Hier findet unter dem Motto #frauenmachengeschichte am 15. September 2018 die feministische Sommeruniversität zum Onlinegang des Digitalen Deutschen Frauenarchivs statt. Dabei ist die Universität mehr als nur ein Veranstaltungsort. Die im Jahr 1809/1810 als Universität zu Berlin gegründete Hochschule blickt als älteste Universität der Stadt auf mehr als 200 Jahre Geschichte zurück. Sie ist die Forschungsstätte vieler berühmter Köpfe – darunter auch vieler bemerkenswerter Frauen.
Auf einem Spaziergang durch das Hauptgebäude kann man Berliner Akademikerinnen in einer Fotogalerie bewundern. Darunter befinden sich zum Beispiel Hedwig Dohm, die 1895 die erste zugelassene Gasthörerin der Universität zu Berlin wurde, und Alice Salomon, die bereits 1906 zum Thema „Über Ursachen der ungleichen Entlohnung von Frauen und Männern“ an der Universität in Soziologie promovierte. Insgesamt 31 Frauen der ersten Generation, die an der Universität erfolgreich wissenschaftlich arbeiteten, gedenkt die Humboldt-Universität heute. Eine ganz besondere Wissenschaftlerin hat nicht nur ein Bild in der Galerie, sondern vor dem Ostflügel des Gebäudes ein Denkmal erhalten: Lise Meitner, Kernphysikerin und Preußens erste Professorin für Physik.
Die am 10.07.2014 enthüllte Bronzestatue, geschaffen von Anna Franziska Schwarzbach, wurde auf Initiative von Dr. Angelika Keune errichtet. Die stellvertretende Frauenbeauftragte und Kustodin der Kunstsammlung der Humboldt Universität hatte sich ab 2006 dafür eingesetzt, den damals nur zwei Wissenschaftlerinnen umfassenden Kunstschatz der Universität zu erweitern und die Wertschätzung von Akademikerinnen stetig zu erhöhen.
Lise Meitner, die 1878 in Wien geboren wurde, promovierte 1906 an der Wiener Universität als zweite Frau auf dem Gebiet Physik. Ab 1907 besuchte sie Vorlesungen bei Max Planck in Berlin, zusammen mit Otto Hahn entdeckte sie 1909 den radioaktiven Rückstoß. Als erste Frau wurde Meitner 1912 als Assistentin Max Plancks an der Universität zu Berlin angestellt und habilitierte 1922 als erste Physikerin Deutschlands. Vier Jahre später wird sie schließlich als erste Frau an einer preußischen Universität zur außerordentlichen Professorin in experimenteller Kernphysik berufen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endete jedoch für sie, wie auch für so viele andere Wissenschaftlerinnen, ihre akademische Laufbahn an der Friedrich-Wilhelms-Universität. Meitner, die jüdische Wurzeln besaß, floh 1938 vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Schweden, arbeitete dort am Nobel-Institut. Sie hielt den Kontakt mit Otto Hahn, für dessen nobelpreisgekrönte Kernspaltungsexperimente sie Versuchsaufbau und Theorie lieferte, ohne dafür selbst geehrt zu werden. Ab 1947 leitete sie die kernphysikalische Abteilung an der königlichen Technischen Hochschule in Stockholm und reiste aufgrund von Gastprofessuren u.a. an diverse US-amerikanische Universitäten. Berlin besuchte sie 1964 ein letztes Mal, um dort an einem physikalischen Kolloquium der DDR teilzunehmen. Lise Meitner lebte bis zu ihrem Tod 1968 in Cambridge.  
Das Lise Meitner-Denkmal soll heute sowohl an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, als auch an die erste Generation von Wissenschaftlerinnen. In ihrem Wettbewerbsentwurf beschreibt die Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach mit treffenden Worten die Situation der ersten Wissenschaftlerinnen:
„Hervorragende Frauen wurden kaum auf Sockel gehoben. Wie schwer muss es für eine Frau gewesen sein, wissenschaftlich zu arbeiten, wie viel schwerer noch, wissenschaftlich geachtet zu werden. Dies brachte mich auf die Idee, den Sockel möglichst breit zu machen, um in Gedanken der vielen ‚Nichtaufgesockelten‘ gedenken zu können“
Daran knüpft das Digitale Deutsche Frauenarchiv an: Die feministische Sommeruniversität zum Onlinegang wird sowohl Geschichte als auch Zukunft von Frauen* und Feminismen diskutieren und sichtbar machen. Sie bietet eine Plattform, um an einem geschichtsträchtigen Ort unterschiedliche Strömungen der Frauen- und Lesbenbewegung zu erinnern, vorzustellen und zu diskutieren.
Denn wie beschrieb schon Irmtraud Morgner 1983 in ihrem Buch „Ein Hexenroman" treffend Karl Marx‘s These neu: „Die Philosophen haben die Welt bisher nur männlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie auch weiblich zu interpretieren, um sie menschlich verändern zu können."
QuelleHeitmann, Malte (2015): Das Lise Meitner-Denkmal, unter: https://www.ub.hu-berlin.de/de/literatur-suchen/sammlungen/kustodie-neu…

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