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Internationaler Mädchentag

Teasertext

Am 11. Oktober wird weltweit auf die Rechte von Mädchen und die Hindernisse, die ihnen im Weg stehen, aufmerksam gemacht. Wir stellen deshalb diesen Monat Mädchen in den Mittelpunkt unserer Archiv-Erkundungstour.

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Am 11. Oktober 2012 wurde der erste Internationale Mädchentag gefeiert. Der Aktionstag soll das Bewusstsein für die speziellen Herausforderungen, mit denen Mädchen konfrontiert sind, schärfen und ihre Emanzipation fördern, vor allem bei Bildung und Ausbildung. 12 Jahre später ist die Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Bildungssektor immer noch nicht erreicht. Bildung als zentrales Mittel zur Selbstbefreiung, Mündigkeit und Selbstverwirklichung ist ein demokratisches Grundrecht, welches auch Mädchen nicht erschwert und verwehrt bleiben darf.   

Das diesjährige Thema des Internationalen Mädchentages lautet: „Girls' vision for the future“, also auf Deutsch „Die Zukunftsvision der Mädchen“. Bei einem Blick in die Zukunft hilft ein Blick zurück in die Vergangenheit, denn die Debatten um Mädchenbildung haben bereits eine lange Geschichte. Deshalb tauchen wir in den i.d.a.-Einrichtungen diesen Monat ein in vergangene Projekte und Aktionen, die sich vor allem mit Mädchenbildung auseinandergesetzt haben. Die vorgestellten Objekte zeigen unter anderem die institutionelle Ebene, also zum Beispiel darauf, wie Bildungseinrichtungen Chancen bieten oder einschränken. Außerdem geht es um die preußische Mädchenschulreform von 1908, feministische Pädagogik, ein Mädchen-Musikfestival und die Rolle, die Geschlechterklischees bei Ausbildung, Berufswahl und Arbeitsteilung spielen. 

Feministisches Archiv FFBIZ

Dissonanzen: „Sexismus in der Schule. Und was ist feministische Pädagogik?“


Koedukative Schulformen, also das gemeinsame Unterrichten von Mädchen und Jungen standen immer wieder in der Kritik feministischer Debatten. So auch in der Radiosendung Dissonanzen am 03.11.1988: „Die besondere Qualität der [traditionellen] Mädchenschulen liegt im geschützten Raum, den die Mädchen für sich haben“, sagt Eva Preislerm im Gespräch mit Moderatorin Franziska Schneider und meint damit Mädchenschulen als Gegenpol zum koedukativen Unterricht.
In der Schwerpunktsendung zu feministischer Pädagogik diskutieren Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen und eine Schülerin über die Chancen und Herausforderungen, Geschlechterrollen im Schulkontext aufzubrechen. Ein Ansatz seien Schulen, in denen Mädchen ohne Ablenkungen durch Machogehabe oder geschlechtsspezifische Konkurrenzmuster unter sich lernen können. Solche traditionellen, aber vor allem auch in der Sendung vorgestellten feministischen Mädchenschulen könnten das Selbstbewusstsein der Schülerinnen stärken, ihre Macht und Autorität selbst zu erkennen und zu nutzen. Denn: Das tägliche Einüben von geschlechtsspezifischen Rollenverhalten in gemischten Schulen „bedeutet in unserer Gesellschaft Gewöhnung an ein Herrschaftsverhältnis, ans Patriarchat“, so Franziska Schneider. Mädchenschulen, die es Schülerinnen ermöglichen, nicht-traditionelle Interessen und Fähigkeiten zu entwickeln, könnten also Abhilfe schaffen. Gleichzeitig wird auch die Notwendigkeit von feministischen Reformen innerhalb koedukativer Schulsysteme betont, etwa durch die Überarbeitung der Unterrichtsinhalte, die Thematisierung von Sexismus und die Unterstützung von Lehrerinnen. Außerdem in der Sendung: Müsste nicht das herrschende Schulsystem gänzlich abgeschafft werden, um wirklich emanzipatorisches Lernen im Sinne feministischer Pädagogik zu ermöglichen?
Die Sendung Dissonanzen wurde von der feministischen Redaktion bei Radio 100 produziert, einem privaten West-Berliner Hörfunksender, der von März 1987 bis Februar 1991 sendete. Die Redaktion, bestehend aus etwa 50 Frauen, initiierte und förderte feministische Diskussionen und stellte Beiträge für andere Redaktionen zur Verfügung. Die Sammlung Dissonanzen, 2018 übergeben vom Gründungsmitglied Marion Fabian an das FFBIZ, umfasst insgesamt 100 Kassetten.

 Mehr zum FFBIZ

Bildunterschrift
Kassette: Dissonanzen „Schwerpunktsendung Feministische Pädagogik“, Berlin 03.11.1988. Rechte vorbehalten
Sexismus in der Schule. Und was ist feministische Pädagogik?
Quelle
Das feministische Archiv FFBIZ
Bildunterschrift
Kiste mit Dissonanzen-Kassetten. Rechte vorbehalten.

 

 

 

AddF Kassel

Bildunterschrift
Titelbild der Ariadne 53/54, Mädchenschulgeschichte(n): Die preußische Mädchenschulreform und ihre Folgen, Kassel 2008.

Mädchenschulgeschichte(n)

Im Jahr 2008 widmeten wir uns mit der Ariadne Heft 53/54 „Mädchenschulgeschichte(n)“. Dort beleuchtete das Ariadne Redaktionsteam aus Dr. Kerstin Wolff und die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Edith Glaser die preußische Mädchenschulreform und ihre Folgen.

Die Preußische Mädchenschulreform im Jahr 1908 veränderte das Leben von Frauen und Mädchen im Kaiserreich nachdrücklich. Die Frauenvereine hatten schon über zwei Jahrzehnte früher die ›unpolitischen‹ Themen Bildung und Erwerb zu ihren Anliegen gemacht. Nach langem, zähem Kampf war es Lehrerinnen, Liberalen und Frauenrechtlerinnen gelungen, den preußischen Staat an seine Verantwortung für seine Töchter zu erinnern. Bis dahin war die Schulausbildung der Mädchen von privaten oder kommunalen Händen organisiert worden. 1908 endlich bekam das Mädchenschulsystem eine verbindliche Form, die Abschlüsse der Mädchenschulen berechtigten zur Aufnahme einer weiterführenden Ausbildung und sogar eines Studiums, die Lehrerinnenausbildung wurde neu strukturiert. Da auch damals Schulentwicklung Länderhoheit war, ist die Reform in Preußen als Beginn der Mädchenschulreformen zu sehen, die in den anderen deutschen Ländern sukzessive vorgenommen wurden.
Die Preußische Mädchenschulreform von 1908 eröffnete den Weg zu einer eigenständigen weiblichen Bildung und Ausbildung in Deutschland – ein Schritt, der bis heute an Wichtigkeit nichts verloren hat.

Einige der Artikel im Heft können im Open Access über GenderOpen gelesen werden: Elke Kleinau:Reformpädagogik und Frauenbewegung : Geschichte einer Ausgrenzung, Thomas Adam: Feminae ante Portas : Frauen als Stifterinnen und Stipendiatinnen von universitären Stipendienstiftungen im Deutschen Kaiserreich, Adriane Feustel: 100 Jahre Soziales Lehren und Lernen : Von der Sozialen Frauenschule zur Alice Salomon Hochschule Berlin und Wolfgang  Gippert: "Ein kerndeutsches, nationalbewußtes, starkes Frauengeschlecht" : Käthe Schirmachers Entwurf einer völkisch-nationalen Mädchen- und Frauenbildung

Und: unser aktuelles Forschungsprojekt befasst sich ebenfalls mit der Geschichte einer Mädchen- bzw. Frauenschule. Die Gymnastikschule Schwarzerden wurde 1926 gegründet und entwickelte die Ausbildung zur Sozialgymnastin. Dieser spezielle Frauenberuf verband Gymnastik und Heilkunde und orientierte sich an ganzheitlichen Gesundheits- und Körpervorstellungen, die aus der Lebensreformbewegung um 1900 stammten. Fächer wie Reformpädagogik, Bewegung und Gymnastik gehörten ebenso zum Kanon der Lehrinhalte wie Soziologie, Gesetzes- und Behördenkunde und Sozialpsychologie.

1938 wurden die Schulleiterinnen Marie Buchhold und Elisabeth Vogler Mitglieder der NS-Volkswohlfahrt und traten der NSDAP bei. Was diese Verflechtungen im Konkreten bedeuteten, welche Auswirkungen sie auf den Schul- und Lehrbetrieb Schwarzerdens hatten und welche Rolle dabei Vorstellungen über die Funktion von Frauen im faschistischen Staat spielten, sind erste grundlegende Fragen des Forschungsprojektes: „Von der Lebensreform zum Nationalsozialismus.

Die Frauengymnastikschule Schwarzerden und ihr Weg in den deutschen Faschismus“. Mehr Informationen dazu gibt es hier.

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Frauen*bildungszentrum DENKtRÄUME

Hamburger Mädchen*spektakel

Mitte der 1990er Jahre stellten insbesondere Pädagoginnen* aus Hamburg im medienpädagogischen Bereich einen Bedarf an Auftrittsmöglichkeiten für Mädchen*-Nachwuchsbands fest. Nach einem Vernetzungstreffen richtete das Organisationsteam 1996 im Haus Drei das erste Open-Air Hamburger Mädchenspektakel aus, mit der Idee jungen Nachwuchskünstlerinnen* eine Bühne zu geben. 

In der Ausgabe des „Hamburger Mädchenstadtbuches“ von 1992 wird ein Aufschwung der Mädchen*szene seit 1987 beschrieben und Hoffnung auf mehr gemacht. In Hamburg wurden viele Mädchen*- und Jugendtreffs ins Leben gerufen, sowie Angebote zur Berufsorientierung, Beratung etc. geschaffen. Allerdings ist zunächst nicht die Rede von musikalischen Treffs und auch bei weiterem durchblättern, lassen sich nur wenige (und keine expliziten) Musikangebote für Mädchen* finden. Diese Angebotslücke konnte das Hamburger Mädchen*spektakel aufgreifen und bedienen. 

In einer männerdominierten Welt werden Mädchen* oft nicht beachtet oder durch Geschlechterstereotypen klein gehalten. Diese Aktion soll Mädchen* in ihren Interessen bestärken sowie ihnen die Möglichkeit und das Selbstvertrauen geben, sie zu verfolgen. Der Aspekt des Open Airs schafft zusätzlich mehr Sichtbarkeit und macht die Notwendigkeit für mehr Räume für Mädchen* und Frauen*, Geschlechtergerechtigkeit und leicht zugängliche Freizeitangebote für Mädchen* deutlich.

Mittlerweile fand im September 2024 das 28. Mädchen*spektakel statt. Das Programm hat sich über die Jahre vervielfältigt und umfasst neben Bühnenaufführungen und der Möglichkeit selbst zu performen auch Workshops, Sportangebote, Handwerks- und Bastelarbeiten, sowie Angebote zum Thema Grenzsetzung und vieles mehr. Alle Mädchen* (Trans,- Inter, queere und cis-Mädchen) können ab acht Jahren teilnehmen und ihren Interessen freien Lauf lassen. Jedes Jahr nehmen an die 600 bis 1000 Mädchen* an dem Spektakel teil und lassen ihrer Begeisterung und Kreativität freien Lauf, während sie somit gleichzeitig für eine chancengleiche Gesellschaft ohne Geschlechterstereotypen kämpfen. 

 Mehr zum Frauen*bildungszentrum DENKtRÄUME 

Bildunterschrift
Aufruf zum 1. Hamburger Mädchenspektakel, Bestand DENKtRÄUME, Rechte vorbehalten
Bildunterschrift
Das Hamburger Mädchenstadtbuch, Bestand DENKtRÄUME, Rechte vorbehalten

FrauenMediaTurm

Warum später eigentlich nicht?

Zum Internationalen Mädchentag haben wir im FrauenMediaTurm das Thema Geschlechterrollen genauer unter die Lupe genommen und sind dabei auf Postkarten aus einem Projekt des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit in Bonn gestoßen. Jede zeigt mindestens ein Kind, das spielt, lernt oder entdeckt. Sie wickeln, klettern, bauen und kochen - ganz unabhängig von gängigen Geschlechterklischees. „Warum später eigentlich nicht?“, fragt die Postkarte die Betrachterin. Darin steckte auch die Frage nach der Entwicklung von geschlechterkonformem Verhalten bei Berufswahl und Familiengründung im Erwachsenenleben, die Feministinnen sich immer wieder stellten.

Die Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin und Journalistin Theresia Maria de Jong beschreibt in ihrem Buch „Eigentlich sind Mädchen stärker“ von 1995 unter anderem die Herausforderungen, denen Frauen in den Naturwissenschaften begegnen: „Viele Naturwissenschaftlerinnen verleugneten sogar ihre Identität als Frau, damit ihre Werke Anerkennung erfuhren. Deshalb werden viele Werke, die tatsächlich aus der Hand einer Frau stammen, fälschlicherweise einem Mann zugeordnet. Das rührt zum Teil auch daher, daß viele Naturwissenschaftlerinnen sich ihre Fähigkeiten durch autodidaktisches Studium oder durch die Hilfe von Vätern oder Brüdern angeeignet hatten, denn ein Studium an den Universitäten war nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt.“ Mit solchen Themen beschäftigt sich auch die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchen*arbeit NRW, die sich auf geschlechterreflektierte Pädagogik konzentriert, und dazu regelmäßig die Fachzeitschrift „Betrifft Mädchen! - BEM“ herausgibt. Wenn ihr mehr über solche Themen Wissen möchtet, gibt es wie immer auch Informationen und Materialien direkt bei uns vor Ort im Turm oder auf unserer Website.

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