Vor vierzig Jahren wurde das Archiv der deutschen Frauenbewegung mehr als passend zum internationalen Frauentag am 8. März 1984 in Kassel gegründet.
Das Projekt des Archivs startete ambitioniert: die Initiatorinnen hatten nicht weniger vor, als einen Ort zu schaffen, an dem die bisher vernachlässigten Quellen und Materialien zur Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zusammengetragen werden sollten. Es galt, die Geschichte der vielen Vorkämpferinnen vor dem Vergessen zu bewahren und sie für gegenwärtige und zukünftige Kämpfe von Frauen nutzbar zu machen. Dazu sollte nicht nur dokumentiert und geforscht werden, die Bedeutung der historischen Frauenbewegung für die politische und gesellschaftliche Veränderungen sollten viele kennenlernen – und die Gründerinnen machten sich voller Tatendrang an die lange, harte Arbeit.
Das AddF sammelt, forscht und publiziert zu wichtigen Akteurinnen, Themen, Strukturen und Organisationen der Frauenbewegung. Viele der hier gelagerten Archivgüter sind von unschätzbarem Wert für die Frauen- und Geschlechtergeschichte. Die einzigartige Sammlung zur Frauenbewegung von 1800 bis in die späten 1960er Jahre – in Teilen bis heute – umfasst diverse Quellen, u.a. Objekte, Zeitschriften, Handschriften, ein eigenes Bildarchiv mit Fotos, Dias und Plakaten, Aktenbestände und Nachlässe. In regelmäßigen Abständen werden dem AddF vertrauensvoll neue Sammlungen über-geben. Den Nachlass der Kasseler Politikerin Elisabeth Selbert gab die Familie im Jahr 2000 als Schenkung selbst in die Hände des AddF. Der kontinuierlich gewachsene Archivbestand umfasst über 950 Regalmeter und wurde bereits 2011 in das Verzeichnis national wertvoller Archive aufgenommen. Zur Sammlung gehört zudem eine Spezialbibliothek, die in 47.500 Datensätzen erschlossen ist, darin enthalten über 2.500 Zeitschriftentitel.
Von den kleinen Anfängen mit viel unbezahlter Arbeit ist in 40 Jahren eine professionelle Einrichtung geworden. Der jetzige Standort in der Gottschalkstraße 57 in der Kasseler Nordstadt konnte 1996 bezogen werden. Bereits seit über 30 Jahren erhält das AddF als außeruniversitäre Forschungseinrichtung institutionelle Förderungen durch das Land Hessen (HMWK), weitere wichtige Förderer sind die Stadt Kassel und der eigene Förderverein „Die Freundinnen des Archivs der deutschen Frauenbewegung“. Seit 2003 ist das AddF als Stiftung organisiert. Kontinuierlich gelang in den letzten Jahrzehnten die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln u.a. beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, beim Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Mit der Förderung im Rahmen des Digitalen Deutschen Frauenarchivs konnte insbesondere die Erschließung und Digitalisierung der Sammlung in den letzten Jahren weiter vorangetrieben werden.
Die Hierarchien sind flach geblieben und die Entscheidungen werden bewusst von einem Leitungsteam, bestehend aus Silke Mehrwald (Sammlungen), Laura Schibbe (Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit), Jacqueline Weil (Stiftung und Finanzen) und
Dr. Kerstin Wolff (Forschung) gemeinschaftlich getroffen. Neben dem Leitungsteam arbeiten derzeit 10 Mitarbeiterinnen im AddF und werden von aktiven Ehrenamtlichen unterstützt.
Als Lernort öffnet sich das AddF für private und öffentliche Zwecke auch mit Führungen durch das Archiv, um die beachtliche Sammlung und die vor Ort geleistete und oft unsichtbare Arbeit vorzustellen. Die biografische Ausstellung über Elisabeth Selbert und die vorhandenen Archivbestände führten im Jahr 2021 zur Auszeichnung als Ort der Demokratiegeschichte, also als Ort, an dem erfahrbar wird, wie sich Menschen für Freiheit, Mitbestimmung und Menschenwürde eingesetzt haben oder einsetzen. Das AddF ist derzeit die einzige Einrichtung aus Nordhessen, die diese Auszeichnung erhalten hat. Mit der aktuellen Förderung der Bundesstiftung „Orte der Demokratie-geschichte“ wird die Ausstellung 2024/2025 überarbeitet und durch eine Internetaus-stellung ergänzt, um Demokratiegeschichte und den Weg der Gleichberechtigung ins Grundgesetz durch die Bereitstellung verschiedener Quellen einem breiten Publikum vorzustellen.
Als außeruniversitäres Forschungsinstitut setzt das AddF immer wieder wichtige wissenschaftliche und gesellschaftliche Impulse und forscht an eigenen Projekten rund um die Bestände. Mit der Herausgabe der erfolgreichen wissenschaftlichen Zeitschrift Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte wird eine Leser:innenschaft erreicht, die weit über den engen Kreis von Wissenschaftler:innen und Forschenden zur Frauenbewegung hinausgeht. Seit 1985 erscheint die Ariadne, mittlerweile einmal jährlich. Dabei kommen sowohl institutseigene Forscher:innen zu Wort als auch führende Wissenschaftler:innen und Autor:innen aus den deutschsprachigen Ländern.
Das AddF sieht sich seit seinen Anfängen in den 1980er Jahren in der Verantwortung, die historische Frauenbewegung nicht nur zu erforschen, sondern auch einem breiten Publikum durch facettenreiche Formate und Veranstaltungen zugänglich zu machen.
Daher ist das Vermittlungsprogramm breit gefächert und hält Angebote für nahezu alle Altersklassen bereit. Durch gesellschaftlich relevante und thematisch einschlägige Vorträge für ein wissenschaftsinteressiertes Publikum, oftmals in Kooperation mit namhaften Kasseler Kulturinstitutionen hat sich das AddF in der Stadt einen sicheren Platz in der Bildungs- und Kulturszene verdient. Auch überregional konnte durch Kooperationen, u. a. in München, Weimar und Berlin, an diese Erfolge angeknüpft werden.
Abgerundet wird das vielfältige Programm durch Lesungen und Konzerte sowie zahlreiche, stets gut besuchte Ausstellungen wie Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus (2022) oder Auf dem Weg zur modernen Demokratiegeschichte (2023). Nicht zuletzt hat sich das AddF auch in den sozialen Medien gut aufgestellt und trägt in Form diverser Reihen wie #125JahreSelbert (2021), #DieFrauenVon1848 (2023) oder Fotografinnen im AddF auf Instagram, X und Facebook das in der Sammlung vorhandene und verwahrte Wissen zeitgemäß in die Öffentlichkeit. Im Jubiläumsjahr 2024 liegt der Fokus mit der Serie #40JahreAddF auf der eigenen Geschichte.
Am 29. Juni wurde das AddF nun von der Stadt Kassel mit einem offiziellen Festakt vor rund 200 geladenen Gästen im Bürgersaal der Stadt Kassel geehrt – doch es ist mit seiner Arbeit noch lange nicht am Ende und arbeitet stetig an neuen Mitteln und Wegen, die historische Frauenbewegung und deren Kulturerbe sichtbarer zu machen.
Denn, um es mit Elisabeth Selberts Worten zu sagen, nach wie vor gilt: „Natürlich ist noch eine Menge zu tun“!