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Politische Partizipation

Teasertext

Das Mitwirken am politischen Geschehen war schon immer ein zentraler Bestandteil der Frauenbewegungen. Die i.d.a.-Einrichtungen haben ihre Bestände durchsucht und zeigen, welche Formen der politischen Partizipation Frauen genutzt haben.

Text

2024 ist ein großes Wahljahr: Europawahl, Landtagswahlen in der BRD, Nationalratswahl in Österreich und Präsidentschaftswahlen in den USA. Wahlen sind ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften, jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten, sich am politischen Geschehen zu beteiligen. Die Bandbreite politischer Partizipation ist groß. Sie reicht von der Teilnahme an Wahlen über eine Parteimitgliedschaft und Protestaktionen bis hin zu politisch motivierter Gewalt.

In den Beständen der i.d.a.-Einrichtungen lässt sich nachverfolgen, welche Werkzeuge der politischen Partizipation sich Frauen in der Vergangenheit bedient haben. Einige davon werden hier vorgestellt. 

belladonna stellt eine theoretische Grundlage für das politische Handeln in den Vordergrund. Der Frauengeschichtsverein Köln und Stichwort nehmen uns mit auf die Frauenfahrrad-Demo „Aktion Gegenwind“ und in das Frauenwiderstandscamp Hunsrück. Und der Frauenmediaturm schaut zurück auf die Einführung des Frauenwahlrechts. 

belladonna Bremen

Riemer-Noltenius, Erika: Das feministische Manifest, Bremen, 06.03.2006, belladonna Kultur, Bildung und Wirtschaft für Frauen e. V. Bremen, Signatur NL,ERN-Nr. 219.

„Das feministische Manifest“ ist ein von Erika Riemer-Noltenius 2006 verfasstes Flugblatt. Noch heute kann es wichtige Impulse zur feministischen Debatte liefern, jedoch lässt sich die ideelle Basis der Punkte in Bezug auf die politische Partizipation von Frauen durchaus hinterfragen.

Riemer-Noltenius hebt vor allem die Überwindung der Geschlechterrollen, die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens sowie Veränderungen des kapitalistischen Wertesystems hervor. Diese Forderungen sind wichtig, jedoch zu vage formuliert. Reformatorische Veränderungen des Kapitalismus werden dessen Basis, die auf Ausbeutung und Hierarchisierung beruht, nicht abschaffen und die Situation der Frau nur minimal verändern. Zwar ist finanzielle Absicherung ein wichtiges Fundament der Emanzipation, jedoch bedarf es in einer Gesellschaft, in der die politische Macht ungleich verteilt ist, eines besseren Zugangs zu politischen Partizipationsmöglichkeiten.

Riemer-Noltenius' Ansätze klingen auf dem Papier ansprechend, jedoch wirken diese bei näherer Betrachtung substanzlos. Es werden keine konkreten praktischen Ideen kommuniziert, mit denen der Zugang zu politischer Teilhabe erleichtert werden könnte, und es bietet darüber hinaus wenig Ansätze, wie feministische Anliegen in konkrete Handlungen übersetzt werden könnten. Riemer-Noltenius spricht zwar die vorherrschenden patriarchalen Strukturen an, zeigt aber keine möglichen Wege zur Überwindung der Probleme und Herausforderungen auf, die mit ihnen einhergehen. 

Im Angesicht wachsender ökonomischer Ungerechtigkeit, Erstarkens von menschen- und frauenfeindlichen Kräften und nicht zuletzt des Klimawandels, ist es dringend nötig, Widerstand und Strategien gegen eben jene Kräfte zu entwickeln. Insgesamt ist Riemer-Noltenius Manifest ein interessanter Text, der die Ideale des Feminismus betont, aber nicht darüber hinausgeht, weder konkrete Forderungen noch praktische Umsetzbarkeit skizziert.

Rieke Brandt, belladonna

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Das Feministische Manifest
Quelle
belladonna, Kultur, Bildung und Wirtschaft für Frauen e.V.
Bildunterschrift
Fahrraddemo der Frauengruppe „Aktion Gegenwind“ zu den Atomwaffendepots am Niederrhein (1981)

Kölner Frauengeschichtsverein e.V.

„Aktion Gegenwind“ hieß die Fahrrad-Demo, mit der Kölner Frauen im Juli 1981 gegen die atomare Bedrohung durch Waffendepots am Niederrhein demonstrierten. Die Frauen legten den Weg von Köln bis zum Stationierungsort der Atomwaffen mit dem Fahrrad und entsprechenden Transparenten zurück. Diese Frauen-Fahrrad-Ralleys gegen Kriegsvorbereitung wurden 1981 außer von Köln aus auch von Mannheim und München gestartet. Den Abschluss bildete am 8. August der Frauentag in Den Haag. Viele der Kölner Frauen beteiligten sich 1983 aufgrund ihrer Erfahrungen bei der „Aktion Gegenwind“ auch aktiv am Frauenwiderstandscamp im Hunsrück. In ihrem Selbstverständnispapier formulierten sie dazu „In gemeinsamen Diskussionen und Aktionen wurde uns zunehmend deutlicher, daß der Militarismus - als organisierte und institutionalisierte Gewalt und Destruktion – die Wurzel und gleichzeitig das wesentliche Instrument der Unterdrückung von Frauen im Patriarchat ist“ (ohne Verf., ohne Dat.)

Mehr Infos zum Kölner Frauengeschichtsverein e.V.

STICHWORT. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung

Die Fotopostkarte zeigt eine Protestaktion, die im Rahmen des Frauenwiderstandscamps im Hunsrück 1984 vor dem Rathaus von Kirchberg im Hunsrück stattgefunden hat. Diese Camps fanden von 1983 bis 1993 jährlich statt, siehe hier. Motto des Camps 1984 war „Frauenmacht gegen Männergewalt, Kriegsvorbereitung und Cruise Missiles“.
Die Pyramide wurde offensichtlich aus überklebten Kisten aufgebaut, auf denen verschiedene Formen der Gewalt gegen Frauen benannt werden. Darüber halten zwei Frauen ein Transparent mit der Aufschrift „Vergewaltigung und Mord sind nur die Spitze des Eisbergs. Frauen wehren wir uns!“. Daneben schlägt eine Frau eine Blechtrommel.
Das Thema ist auch nach fast 40 Jahren hoch aktuell. Zwar werden die heute Femizide genannten Morde an Frauen in der Öffentlichkeit klar verurteilt, das System der Gewalt in seiner Gesamtheit bleibt dabei jedoch weitgehend unbenannt.
Das Foto, vermutlich von einer der Beteiligten aufgenommen, wurde als Postkarte gedruckt; diese wurde, wie eine handschriftliche Notiz auf der Rückseite vermuten lässt, vielleicht auf weiteren Hunsrück-Camps und wahrscheinlich in deutschen Frauenbuchhandlungen verkauft. Die Karte gelangte nach Graz, wo sie im feministischen Archiv DOKU Graz zuerst einer ähnlichen Aktion von Grazerinnen 1986 zugeordnet wurde – wobei die vor der Uni Graz errichtete Pyramide möglicherweise von jener im Hunsrück inspiriert worden war. Die Grazer Pyramide wurde jedenfalls binnen Stunden durch einen Brandanschlag zerstört … Wie lange die Pyramide der Hunsrück-Campfrauen stehen durfte, ist uns nicht bekannt.
Die Karte befindet sich durch Übernahme des DOKU Graz-Archivs heute im Bestand von STICHWORT.

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Bildunterschrift
Pyramide der Gewalt. Protestaktion beim Frauenwiderstandscamp im Hunsrück, Sommer '84 (Postkarte, 10 x 15 cm), 1984, Fotografin: n. v. - AT-STICHWORT, Sign. I F 856, Rechte vorbehalten

Frauenmediaturm

„Gattinnen, Mütter, Frauen aller Berufe, Stände, fordert das Stimmrecht!“ Mit diesen Aussagen rief Lida Gustava Heymann die Leserinnen der Broschüre Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! aus dem Jahre 1907 dazu auf, sich für die eigene Beteilung an der Politik und die ihrer Mitbürgerinnen einzusetzen. Das Frauenstimmrecht war für sie ein wichtiger Schritt dazu und sollte für alle Frauen gelten – egal welcher Klasse oder welchen Berufes. Die Broschüre ermunterte dazu, für dieses Recht zu streiten. Außerdem appellierte Heymann an Würde, Selbstwert und Solidarität der Frauen, indem sie die bisherigen Errungenschaften der Frauenbewegung hervorhob.

Für das Frauenstimmrecht setzte sie sich gemeinsam mit Anita Augspurg seit langem ein: Die beiden hatten 1901 den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht gegründet, der ab 1904 Deutscher Verband für Frauenstimmrecht hieß. Denn sie hielten den organisierten Kampf der Frauen für die Durchsetzung des Wahlrechts für besonders wichtig. Anreiz für die Gründung des Verbandes im Jahr 1901 war die im darauffolgenden Jahr anstehende Internationale Frauenstimmrechtskonferenz, an der die deutschen Frauenrechtlerinnen teilnehmen wollten. Jedoch gab es zunächst Probleme bei der Entstehung des Vereines, denn das preußische Vereinsgesetz verbot Frauen die Teilnahme an und die Gründung von politischen Verbänden. Diese Regelung galt aber nicht in Hamburg, so dass Augspurg und Heymann den Verein dort gründeten. Die Frauen des Vereins verbreiteten ihr Ziel des Frauenstimmrechtes mithilfe von Vorträgen, Broschüren und Zeitschriften; so auch in der vorgelegten Broschüre. In dieser ging es darum, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht als Ziel der Frauenbewegung zu betonen.

Im gleichen Jahr, in der die Broschüre erschien, wurde dieses Ziel auch auf der Generalversammlung des Verbandes für Frauenstimmrecht bekräftigt.1908 fiel dann das preußische Vereinsgesetz, nun konnten im gesamten deutschen Reich Frauenstimmrechtsvereine gegründet und der Kampf um die politische Gleichberechtigung aufgenommen werden. Auf die Durchsetzung des Frauenwahlrechts mussten die Frauen allerdings noch 10 Jahre warten.

Das Archiv der deutschen Frauenbewegung hat die Broschüre digitalisiert. Hier ist die Broschüre einsehbar.

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