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Tag der lesbischen Sichtbarkeit

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Am 26. April ist der Tag der lesbischen Sichtbarkeit. Quellen aus den i.d.a.-Archiven geben Einblicke in verschiedene Aspekte der lesbischen Geschichte und Kultur.

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Lesbisches Leben, lesbische Beziehungen werden im öffentlichen Bewusstsein (noch immer) kaum wahrgenommen. Auch in der Geschichtsschreibung bleiben Lesben oft unsichtbar. Eine spanische LGBTIQ-Organisation hat daher 2008 den Tag der lesbischen Sichtbarkeit (Lesbian Visibility Day) ins Leben gerufen. Jährlich am 26. April wird seitdem lesbische Kultur und lesbische Geschichte gefeiert und damit in die Öffentlichkeit getragen.

Das Bestreben um mehr Sichtbarkeit von Lesben geht jedoch noch weiter zurück. Spätestens seit den 1970er Jahren haben sich vermehrt lesbischen Gruppen in Deutschland organisiert und für mehr Akzeptanz und Rechte gekämpft.

Für viele i.d.a.-Einrichtungen ist das Bewahren der lesbischen Geschichte ein zentrales Anliegen. Die Zeugnisse aus ihren Beständen geben spannende Einblicke in die Vielfalt lesbischer Identitäten.

FrauenGenderBibliothek Saar

FRAUEN es gibt uns!

Spätestens seit 1977 gab es auch innerhalb der Saarbrücker Frauenbewegung eine explizite Lesbengruppe.

Mit einer Flugblattaktion unter dem Titel „Frauen, es gibt uns!“ machte die Gruppe auf dem Altstadtfest 1978 auf sich aufmerksam:

Gleich im ersten Satz heißt es da: „Es ist NICHT NATÜRLICH, daß Frauen mit Männern leben müssen, sondern uns allen anerzogen und aufgezwungen!... Als lesbische Frauen sind wir doppelt unterdrückt: Als Frauen und als Homosexuelle. …. Bisher waren die sog. Sublokale die einzige Möglichkeit für Lesben, sich zu treffen und sich ihren Gefühlen entsprechend zu verhalten. Doch wir wollen mehr! Für uns ist lesbisch sein viel mehr als eine andere Art der Sexualität, es ist eine andere Art zu leben.“ Unterzeichnet ist dieses Flugblatt von „Lesben aus der Frauengruppe Saarbrücken“.

Dieses Flugblatt wurde noch gemeinsam mit heterosexuellen Frauen verfasst, verteilt allerdings explizit von Lesben. Dies war eine durchaus mutige Aktion, konnte es doch auf einem Stadtfest in einer mittelgroßen Stadt wie Saarbrücken durchaus zum Kontakt mit der Vermieter*in oder Kolleg*innen kommen. Ein emanzipatorischer Akt, um sichtbar zu werden und zu bleiben!

1991 gründete sich mit dem Verein LeNe e.V. (Lesbennest Saar) eine eigene Lesbenvertretung. „Frauen kommen langsam – aber gewaltig“ – das war der Titel eines Flyers zu einer Veranstaltungsreihe, die 1991/1992 den Saarbrücker*innen die lesbische Lebensweise näherbringen wollte, um damit gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Lesben abzubauen!

Unterstützt wurde diese Veranstaltungsreihe vom Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Gleichstellungsstelle der Stadt Saarbrücken!

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Nachlass Ruth Stoll, Archiv der FrauenGenderBibliothek Saar, Arch 001_002_00002

 

 

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Objekte Audre Lorde Archivbesuch Kassette und Kontaktabzug

Lesbenarchiv Spinnboden

Auf dem Kontaktabzug sind Fotos eines Besuchs von Audre Lorde mit ihrer Partnerin Gloria I. Joseph im Spinnboden Lesbenarchiv am 15. Juni 1984 zu sehen. Die Kassette enthält die Aufzeichnung eines Gesprächs von Daniela von Raffay und Vera Werner mit Audre Lorde anlässlich des Besuchs.

Beides entdeckte unsere ehemalige Geschäftsführerin und jetziges Vorstandsmitglied Sabine Balke Estremadoyro 2018 zufällig in unseren Beständen wieder.

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Frauen*bildungszentrum DENKtRÄUME

In Hamburg entstanden in den letzten 40 Jahren mehrere Lesbenzeitschriften zur Vernetzung innerhalb der Community:

Sappho kurier(t) erschien 1982 bis 1984 mit insgesamt drei Ausgaben. Auslöser für die Initiatorinnen war der fehlende Informationsfluss über Veranstaltungen für Lesben. Mit der Zeitschrift wollten sie einen Informationspool sein, aber Lesben auch die Möglichkeit geben, sich „als Minderheit mit allen Problemen, Freuden, Hoffnungen und Träumen auf breiterer Ebene austauschen zu können“ (1982, Heft 0, S. 2). So entstand eine bunte Mischung aus Kleinanzeigen, Kommentaren zu aktuellem Geschehen der Lesben-Community, Gedichten, Kurzgeschichten und Veranstaltungshinweisen.

1995 bis 1996 erschien die Mathilde in Trägerinnenschaft des Lesbenvereins Intervention e.V. Als Zeitung von Lesben für Lesben wollten die Macherinnen alles zusammentragen, was in und um Hamburg in „der Szene“ stattfand: Infos, Termine, Projektvorstellungen, Kleinanzeigen, Kultur, Politik … Dazu gehörte auch der Lesbenstadtplan, der zweimal in der Mathilde veröffentlicht wurde. Hier konnten Lesben Orte in Hamburg finden, an denen sie sich treffen, aufhalten, aber auch Beratung holen konnten. Nach sieben Ausgaben wurde die Zeitschrift eingestellt.

1997 entschlossen sich Frauen aus Hamburg, das Lesbenmagazin escape herauszugeben. Die Zeitschrift erschien monatlich und fokussierte sich gerade in ihrer Anfangszeit auf den die Freizeit und den Spaß betonenden Teil der Hamburger Lesbenbewegung. Sie trug damit zum Sichtbarmachen der privaten lesbischen Praxis bei. Es ging um Vernetzung und gemeinsam gelebten Alltag, auch als ein Ausdruck politischer Arbeit. Neben Terminen verschiedenster Art wurden auch Film- und Fernsehtipps zusammengetragen. In späteren Jahren kamen noch kurze Abhandlungen und Interviews mit Politikerinnen hinzu – und alles was für lesbische Frauen in Hamburg von Interesse war. Nach mehr als 15 Jahren wurde das Projekt 2014 beendet.

Um die Spuren lesbischen Lebens in Hamburg sichtbarer zu machen hat Karin Schönewolf aus dem DENKtRÄUME-Team ihren „physischen“ Stadtrundgang in den virtuellen Raum gebracht. Hier könnt ihr nun unabhängig von Zeit und Ort diesen Spuren nachgehen: https://rundgang.denktraeume.de/

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Lesbenstadtplan in der Zeitschrift Mathilde
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Stöcker 1911, beabsichtige Ausdehnung § 175

Frauenmediaturm

„Die beabsichtigte Ausdehnung des § 175 auf die Frau“

Der § 175 des Strafgesetzbuches stellte zwischen 1872 und 1994 über alle Systemzäsuren hinweg sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Im Zuge der Diskussionen um eine Strafrechtsreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts wollte die Sachverständigen-Kommission im Auftrag des Reichs-Justizamtes den Paragrafen auch auf Frauen ausdehnen (Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch (VDS) 1909).

Homosexualität stelle eine Gefahr für den Staat und das Familienleben dar, es läge „daher im Interesse der Sittlichkeit wie der allgemeinen Wohlfahrt, daß die Strafbestimmung auch auf Frauen ausgedehnt wird“, lautete die Begründung der Sachverständigen-Kommission (VDS 1909, 691).

„Wir haben es für eine Pflicht unserer Vereinigung für Mutterschutz und Sexualreform gehalten, an dieser drohenden Maßregel nicht mit blinden Augen und in falscher Scham vorüberzugehen, daß der unselige §175 nun auch auf die Frau ausgedehnt wird“, schrieb Helene Stöcker 1911 in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Die Neue Generation“ (Stöcker 1911, 110). Sie argumentierte mit den Folgen, den die Ausweitung für homosexuelle wie heterosexuelle Frauen haben würde: Die Denunziation von Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen zusammenlebten zum Beispiel sowie die Möglichkeit, Frauen unter Berufung auf den Paragrafen der Strafverfolgung auszusetzen, die politisch und gesellschaftlich aneckten. Sie kämpft in ihrem Text für Freiheit im „privatesten Privatleben, im Liebesleben“ (Stöcker 1911, 121) als Teil des Kampfes für ein freiheitliches Staatswesen.

Der Versuch, den Paragrafen auszuweiten, ging nach hinten los. Er mobilisierte die Frauenbewegung, die dafür sorgte, dass die Initiative über einen Vorentwurf nicht hinauskam (Dickinson 2014, 173).

Weibliche Homosexualität wurde im Kaiserreich somit nicht offiziell strafrechtlich verfolgt, aber durchaus geächtet und verdeckt bestraft. Wie Stöcker schon 1911 schrieb, führte „falsche Scham“ und vermutlich auch große Angst dazu, dass Frauen darüber wenig sprachen. Weibliche Homosexualität blieb auch deshalb weitgehend unsichtbar. Das wirkt sich bis heute auf Quellen und Forschung aus.

Zum Weiterlesen: Elisa Heinrich. 2022. „Intim und respektabel: Homosexualität und Freundinnenschaft in der deutschen Frauenbewegung um 1900“ zu werfen, um mehr über den Diskurs zur weiblichen Homosexualität um die Jahrhundertwende zu lernen!

 

Literatur:

Dickinson, Edward Ross. 2014. Sex, Freedom, and Power in Imperial Germany, 1880-1914, New York: Cambridge University Press.

k.a. 1909. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Begründung. Besonderer Teil, bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reich-Justizamts, Berlin: I. Guttentag Verlagsbuchhandlung.

Stöcker. Helene. 1911. „Die beabsichtigte Ausdehnung des § 175 auf die Frau / von Dr. phil. Helene Stöcker“ in: Die neue Generation. Publikationsorgan des Deutschen Bundes für Mutterschutz, herausgegeben von Dr. Phil. Helene Stöcker, 1911 7 (3), 14.03.1911, Berlin, S.110-122. (Z-GE006)

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FFBIZ

Rita „Tommy“ Thomas (19.10.1931 – 15.12.2018)

Rita Thomas, die wie ihr Vater und Bruder „Tommy“ genannt wurde, fiel bereits in ihrer Jugend durch ihren Stil auf. Sie zog immer Hosen an und stieß damit in der Nachbarschaft nicht nur auf Gegenliebe. Trotz des Gespötts blieb sie ihrem Stil treu und trug später auch eine Elvis-Tolle, Krawatte und Trenchcoat. Die Bezeichnung „Bubi“ passte zu Tommy.

Ihre Beziehungen zu Frauen lebte Tommy immer offen aus. Sie lernte 1950 ihre langjährige Partnerin Helli kennen. Sie blieben bis zu Tommys Tod ein Paar, auch wenn sie zwischenzeitlich getrennt waren und andere Partnerinnen hatten. Die beiden Frauen verbrachten in den 1950er Jahren viel Zeit in den Lokalen für Homosexuelle in West-Berlin. Der Bau der Mauer machte diese Ausflüge unmöglich, weshalb Tommy ihre eigene Wohnung zum Treffpunkt für die schwul-lesbische Community machte.

Seit 2017 befindet sich ihre einzigartige Fotosammlung, die lesbisches und schwules Leben in (Ost-) Berlin seit den 1950er Jahren dokumentiert, im FFBIZ Archiv. Lesbische Sichtbarkeit war für Tommy eine Selbstverständlichkeit. Sie fiel auf und lebte ihre Beziehungen immer sehr öffentlich. Diese Offenheit trug auch dazu bei, dass ihr Leben mehrfach dokumentiert wurde. Bereits 1992 wurde sie von Christina Karstädt und Anette von Zitzewitz in dem Dokumentarfilm „… viel zu viel verschwiegen“ porträtiert. 2003 war sie Teil der Ausstellung „mittenmang. Homosexuelle Männer und Frauen in Berlin 1945-1969 im Schwulen Museum“ und 2016 konnte Karl-Heinz Steinle ein biografisches Interview mit Tommy für das Archiv der anderen Erinnerung aufzeichnen.

Tommy war 2017 und 2018 oft im FFBIZ zu Besuch und hat gemeinsam mit Roman Klarfeld und Karl-Heinz Steinle die Fotos gesichtet und mit ihren Erzählungen die Erfassung der Sammlung ermöglicht. Diese Fotos sind eindrückliche Quellen für lesbische Sichtbarkeit seit den 1950er Jahren in Berlin.

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Monatsbeitrag_2023-04_FFBIZ-1

belladonna

Lesbisch_queere_feministische Geschichte ist eine wichtige, aber oft unsichtbar gemachte Geschichte. Dieses Wissen zu bewahren ist rebellisch und unbequem für die heteronormative Mehrheitsgesellschaft. Der Kampf von Lesben ist seit vielen Generationen ein internationaler Kampf und die Strategien, Erfolge und Misserfolge müssen Teil des kollektiven Gedächtnisses werden.

Der Lesbian Visibility Day ist ein wichtiger Akt der Rebellion und des Widerstands gegen die Unsichtbarkeit von Lesben in der Gesellschaft. Er ist Teil einer langen Tradition, die sich seit vielen Generationen gegen heteronormative Normen und für die Akzeptanz und Rechte lesbischer und queerer Identitäten und Lebensweisen einsetzt. Die Bedeutung dieses Kampfes wird oft unsichtbar gemacht und muss daher bewahrt und dokumentiert werden, um Bewusstsein und Verständnis für die Kämpfe und Herausforderungen der lesbisch_queeren Community in Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen.

Als feministisches Archiv verstehen wir uns als Brückenbauer*innen zwischen den Generationen und haben uns auf die Sammlung von Dokumenten der lesbisch-feministischen Bewegungen spezialisiert. Unsere umfangreiche Sammlung von Zeitschriften, Flugblättern, Büchern, Plakaten und Presseartikeln zeigt, dass Lesben seit langem für ihre Rechte und ihre Sichtbarkeit kämpfen. Durch die Dokumentation und die Bereitstellung von Ressourcen für zukünftige Forschung und Bildung können lesbisch_queer-feministischen Bewegungen gestärkt und weiterentwickelt werden.

Insgesamt ist die Bewahrung unserer Geschichte und unserer Kämpfe als Feminist*innen ein Akt des Widerstands. Es ist ein wichtiger Schritt, um unsere Stimmen und Erfahrungen sichtbar und hörbar zu machen und die Fortschritte und Herausforderungen der lesbischen Bewegungen anzuerkennen. Die Dokumentation und Anerkennung lesbischer Geschichte und Kämpfe kann dazu beitragen Strukturen aufzubrechen und zu ändern.

Mit diesem Video möchten wir dazu beitragen, lesbische Geschichte sichtbar zu machen. Das Material wurde vom Archivteam subjektiv ausgewählt.

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