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56. Jahrestagung,
Adresse

Frankfurt am Main

30. September – 2. Oktober 2022
Text

Unter dem Motto "Vermitteln und vernetzen: Neue Wege für Frauen- und Lesbenbewegungsgeschichte" trafen sich die deutschsprachigen Lesben-/Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Italien und der Schweiz in Frankfurt am Main. Die Jahrestagung wurde ausgerichtet vom Archiv Frau und Musik, das am Hauptveranstaltungsort der hoffmanns höfe in Frankfurt-Niederrad untergebracht ist, zusammen mit dem Lesbenarchiv Frankfurt, das sich in der Frankfurter Innenstadt befindet. 

21 der insgesamt 37 feministischen Erinnerungseinrichtungen des i.d.a.-Dachverbands waren dieses Jahr dabei; leider konnten in diesem Jahr keines der Mitgliedsarchive in Italien und der Schweiz mit dabei sein. Die Tagung wurde analog durchgeführt. Möglich machte dies ein umfassendes Schutz- und Hygienekonzept mit tagesaktuellen Schnelltests. Im Innenbereich galt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

Eröffnet wurde die Tagung mit einer Begrüßung durch den i.d.a.-Vorstand und die ausrichtenden Archive sowie mit Grußworten von Angela Dorn (Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, per Video) und Dr. Sonja Müller (Frankfurter Kranz), in denen besonders die Bedeutung der Zusammenarbeit der verschiedenen Netzwerke, der Austausch an reichem (Fach-)Wissen, die Weiterbildung und Weitergabe von Wissen sowie zur Bedeutung von Förderung besonders solcher Institute und Einrichtungen hervorgehoben und für diese unerlässliche Arbeit an Gleichberechtigung und Demokratie gedankt wurde. Den ersten Programmpunkt stellte Sarah Hartmann von der Deutschen Nationalbibliothek/Arbeitsstelle für Standardisierung mit einem Vortrag zu Normdatennutzung und Diversity, in dem es u. a. um Möglichkeiten und Schwierigkeiten von diskriminierungssensibler Verschlagwortung ging.



Nach der großen Runde der Berichte aus den anwesenden Einrichtungen und dem gemeinsamen Abendessen im Casino der hoffmanns höfe, konnten die Räumlichkeiten des Archivs Frau und Musik besichtigt werden. Mary Ellen Kitchens, Daniela Weber und Susanne Wosnitzka präsentierten den Teilnehmer*innen die dortigen Musikschätze und berichteten vom Fortschritt der DDF-Projektarbeit. Abends erläuterte Dr. Ulrike Kienzle als Clara-Schumann-Expertin in einem Vortrag die Bedeutung der Komponistin für die Stadt Frankfurt am Main. Ein Gitarren-Konzert der Mitvorsitzenden des Archivs Frau und Musik Heike Matthiesen rundete mit Komponistinnen-Werken ihrer CD "Guitar Ladies" den ersten Tag der i.d.a.-Tagung ab.

Samstags schlossen an die i.d.a.-Mitgliederversammlung verschiedene Workshops an. Themen waren:



* Wie machen wir uns unentbehrlich? (Leitung: Rita Kronauer, ausZeiten Bochum) Hier wurde diskutiert und an Lösungsvorschlägen gearbeitet, wie die Arbeit und Archivgeschichte aus der Frauenbewegung heraus sichtbarer und präsenter gemacht werden kann:  Zum Beispiel sind Ressourcen autonomer Einrichtungen oft nicht ausreichend für die grundlegende, konsequente und nachhaltige (Weiter-)Arbeit; welche Bedeutung hat die sog. Graue Literatur (= zum Beispiel eine historische Dokumentation mit Gesammeltem aus Zeitungen); bei einer Eingliederung in staatliche Archive aber bestünde oft das Problem, dass solche wichtigen geschichtlichen Objekte, die für Statistiken unerlässlich sind, nicht aufgenommen würden bis hin zu Platzmangel. Fazit: mehr Druck machen wider das Vergessenwerden.



* Wie ein gelungener Generationendialog gelingen kann (Leitung: Maren Bock und Rebecca Gefken, belladonna Bremen): Spannend war, dass sich die Gruppe auf Personen „um die 30“ und „um die 60“ aufteilen ließ – mit nicht nur unterschiedlichen Lebenserfahrungen, sondern auch unterschiedlichen Erfahrungen, was die Teilnahme an unterschiedlichen Frauenbewegungswellen betraf. Wie kann man zukunftsgerichtet zusammenarbeiten bei gleichzeitigem größtmöglichem Verständnis der verschiedenen Generationen?



* Redaktion i.d.a.-Webseite (Leitung: Steffi Pöschl, DDF Berlin) mit Vorstellung der neuen bzw. überarbeiteten i.d.a.-Dachverbands-Webseite: Sichtbarmachung der Materialien der einzelnen i.d.a.-Mitgliedseinrichtungen, Blogbeiträge zu inhaltlichen Themenund Erfolgsgeschichten und -meldungen aus einzelnenEinrichtungen, wie lassen sich einzelne Beiträge gestalten und auf der Webseite darstellen und auch wer macht mit?



* Durch Social Media navigieren (Leitung: Clara, Lili-Elbe-Bibliothek; in den Räumen des Lesbisch-schwulen Kulturhaus (LSKH) mit Führung durchs Lesbenarchiv Frankfurt am Main): Fast alle i.d.a.-Mitgliedseinrichtungen sind auch in Social Media wie Facebook, Twitter oder Instagram präsent, aber nur wenige haben dafür feste Beauftragte.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass viele Einrichtungen von der Erarbeitung eines „Notfallplans“ (für unberechenbare Social-Media-Dynamiken) profitieren würden. Für weitere Auseinandersetzung im Rahmen von i.d.a-Tagungen wäre es sinnvoll, Social Media unter dem Stichwort „Professionalisierung“ anzugehen, also konkrete Trainingsangebote sowohl für die technischen Möglichkeiten, als auch für die Einbettung in den organisationalen Arbeitsalltag der Einrichtungen vorzubereiten. Eine kollektive Social-Media-Strategie der i.d.a.-Einrichtungen wäre spannend, bleibt aber angesichts begrenzter Kapazitäten Zukunftsmusik.

Ein gemeinsames Abendessen führte nach einem kurzen Spaziergang ins "Metropol" am Dom. Manche Teilnehmer*innen nutzten danach das Angebot, die Vernissage zur Ausstellung "Pelze" zu besuchen, einem lesbisch-feministischen Berliner Projektraum der Jahre 1981–1996. Ein anderer Teil zog ins "La Gata", der ältesten noch bestehenden Lesbenkneipe der Welt. Besonders die nächtlich beleuchtete Skyline Frankfurts beeindruckte bei einem Spaziergang am Main-Ufer zurück zu den hoffmanns höfen.

Der letzte Tag begann mit einem Impuls-Vortrag der Künstlerin und Kunstvermittlerin Jutta Stocksiefen zum Thema "Künstlerisches Forschen und Arbeiten in Archiven – ein Praxisbeispiel anhand der Ausstellung Reflections from the Women’s Archive in der Ausstellungshalle Depo in Istanbul". Im Abschlussplenum wurde einerseits aus den Workshops berichtet, andererseits wurden kollektiv Reflexionspunkte für das kommende i.d.a.-Treffen gesammelt. Dabei wurden sowohl Wünsche für die inhaltliche Schwerpunktsetzung als auch organisatorische Aspekte, wie die sehr unterschiedlichen Kapazitäten der Mitarbeiter*innen von hauptamtlich und ehrenamtlich geführten Einrichtungen diskutiert. Nach einem letzten Beisammensein beim Mittagessen in der Kantine der hoffmanns höfe machte sich die Gruppe auf zum LSKH, dem Lesbisch-Schwulen Kulturhaus in Frankfurt am Main. Dort setzte eine zweite Führung durchs Lesbenarchiv und der feministische Stadtrundgang mit Maike Erdt (libs e.V.) den Schlussakkord der Tagung. Insgesamtes Fazit der i.d.a.-Tagung des Jahres 2022: Wir sind auf einem guten Weg, um auch in Zukunft in der ersten Reihe der gesamten Geschichtsdokumentationsstätten mit den Ton angeben zu können!

Fürs Wohlfühlen und Wertschätzen in der Gemeinschaft der Kolleg*innen des Dachverbands gab es nicht nur Begrüßungsgoodies vom Archiv Frau und Musik, sondern zum Abschluss auch „blind date“- Büchergeschenke vom Lesbenarchiv. Außerdem gedachten wir mit einem Kondolenzbuch der verstorbenen Kollegin Maria Luise Bertram (ehemalige Avalon-Bibliothek Augsburg). Und gerne teilen wir mit Euch einige der Kundmachungen aus dem Gästebuch des Archivs Frau und Musik:

„Herzlichen Dank euch Frankfurter*innen, dem Lesbenarchiv und dem Archiv Frau und Musik für die tolle Tagung, für eure Arbeit, Geduld u. v. m.“ – „Danke für ALLES, für die Organisation, für Impulse, Exkursionen, Impressionen, für alles drumherum und alles innendrin.“ – „Vielen Dank für die nette und gute Organisation der 56. i.d.a.-Tagung, auch mit dem musikalisch-kulturellen Rahmenprogramm. Ihr habt wirklich alles getan, dass wir uns wohlfühlen konnten.“

Auch das Team des Archivs Frau und Musik und des Lesbenarchivs Frankfurt am Main bedankt sich herzlich für die schöne Tagung und freut sich auf das Wiedersehen zur nächsten i.d.a.Jahrestagung in Bremen.  Dort sollen nicht nur neue brennende Themen besprochen werden, sondern Frankfurter Themen weiter bedacht werden, zum Beispiel zur finanziellen Situation der einzelnen i.d.a.-Mitgliedseinrichtungen, Austausch unter den aktuell geförderten DDF-Projekten sowie verstärkt zum Umgang und Erfolg in den Social Media.

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