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Sommer, Sonne, Fußball-WM - Frauen im Sport

Teasertext

Geschick, Unabhängigkeit, Kraft: Für Frauen schienen diese Verheißungen des Sportes aufgrund von Vorurteilen lange unerreichbar. Wie unsere Archivfunde anlässlich der Fußball-WM zeigen, haben sie sich davon nicht aufhalten lassen.

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Frauen mussten im modernen Wettkampfsport bis weit ins 20. Jahrhundert hinein große Hürden überwinden – von gesundheitlichen „Bedenken“ über solche der Sittlichkeit und Ästhetik bis hin zum Verbot, zum Beispiel des Fußballspiels.

Die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm befasste sich bereits in einem Text von 1874 mit soziokulturellen Aspekten weiblicher Schwäche in den höheren Klassen und plädierte für gezieltes athletisches Training auch für Frauen. Anekdotisch verweist sie auf englische Boxerinnen in den 1720er-Jahren und auf eine österreichische Prinzessin, die angeblich so stark gewesen sein soll, dass sie einen Nagel mit der bloßen Hand in die Wand schlagen konnte.[1]

Spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts befürworteten auch Ärzte eine sportliche Betätigung von Frauen – im Rahmen der vorherrschenden Sittlichkeitsgebote und in erster Linie aus gesundheitlichen Erwägungen. Über Gesundheitsanliegen hinaus wurde der moderne Sport spätestens seit dieser Zeit mit weiteren politischen Anliegen verknüpft: demokratische wie nationalistische, emanzipatorische wie militaristische Ideen trieben die Entwicklung von Breiten- wie Wettkampfsport voran. Deshalb traf Frauen-Turnvereine zeitweise das politische Vereinsverbot für Frauen, wie zum Beispiel den im Zuge der 1848er Revolution in Frankfurt a. M. gegründeten Frauen-Turnverein, in dem sich „acht Jungfrauen und drei Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren“ verpflichteten, „wöchentlich zweimal zu turnen und zwar ungeschnürt in linnener Turnkleidung“.[2]

Das war eine wichtige Voraussetzung, denn Einschränkungen entstanden für Frauen und Mädchen nicht nur durch Verbote, sondern auch durch Kleidungsvorschriften und -sitten, die ihre Bewegungsfreiheit einschränkten. Um Abhilfe zu schaffen, setzten sich Frauenvereine und einzelne Frauen für praktischere Kleidung ein, so zum Beispiel für den sogenannten Kölner Turnkittel (1908), das Leipziger Reform-Turnerinnenkleid (1911) sowie die sogenannte Rockhose (1914).

Die Neue Frauenbewegung setzte sich ab den 1970er-Jahren häufig auch kritisch mit dem modernen Wettkampfsport auseinander. Statt Leistung und Wettbewerb stellten viele feministische Bewegungsprojekte positive Körpererfahrungen, Spaß an der Bewegung und Selbstverteidigung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.

Anlässlich der Fußball-WM feiern wir mit unseren Archivfunden die vielen bekannten und unbekannten Frauen aus der Geschichte des Sportes und ihren langen Weg zur gleichberechtigten Teilhabe am sportlichen Wettkampf und Freude an der Bewegung. Gleichzeitig wollen wir an die Ambivalenzen der modernen Sportgeschichte erinnern. Es bleibt noch Vieles zu entdecken.

 

[1] Dohm, Hedwig: Die stärksten Frauen der Welt [1874], Nachdruck in: Pfister, Gertrud: Frau und Sport, Frankfurt a. M. 1980, S. 222 – 223.

[2] Satzung des Frauen-Turnvereins, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. (ISG), V33/2 209a, S. 1.

AddF - Archiv der deutschen Frauenbewegung

Porträt von Helene Mayer, Fechterin
Quelle
AddF – Archiv der deutschen Frauenbewegung

 

Bildunterschrift
Titelbild der Ariadne 69, Frauenbewegung: Geschlechtergeschichte und Sport

Frauen und Sport bewegen uns hier im AddF zurzeit mehr als sonst, denn in unserem neuen DDF-Projekt erschließen wir unter anderem den Bestand der Gymnastikschule Schwarzerden – darunter auch ganz handfest Medizinbälle und Gymnastikbänder. Im nächsten Jahr könnt ihr die Ergebnisse unserer Arbeit in Blogs und Dossiers im DDF und in zahlreichen Digitalisaten in META nachschauen.

Heute möchten wir uns aber einer ganz anderen Sportart widmen, denn als Sport zu einem Ausdrucksmittel weiblicher Emanzipation avancierte, fuhren Frauen nicht nur Rad, sondern schwangen auch Degen, Säbel und Florett: Frauen entdeckten den Fechtsport.

1907 wurde in Berlin der erste Damenturn- und Fechtklub durch die Adlige Gräfin von der Asseburg gegründet. Als Vorbild dienten die Nachbarinnen in Wien, wo Fechten als weibliche Betätigung – wohl nicht zuletzt befördert durch Kaiserin Elisabeth („Sisi“), die sich im Fechten unterrichten ließ – in der bürgerlichen Gesellschaft bereits in den 1890er-Jahren praktiziert wurde. Der Berliner Damen-Fechtklub reüssierte schon nach kurzer Zeit, so dass das Kursprogramm und der Mitarbeiterstamm ausgeweitet wurden. Der Unterricht wurde von einem italienischen Fechtmeister sowie von der ausgewiesenen Tanz-, Fecht- und Turnlehrerin Emmy Gascard (1881–?) erteilt, wodurch sich gleichzeitig ein Berufsfeld für bürgerliche Frauen generierte. Der Fechtsport bot Frauen somit nicht nur eine neue Freizeitbeschäftigung, sondern es öffneten sich auch neue berufliche Handlungsspielräume. Nichtsdestotrotz mussten sich die Fechterinnen – wie alle sportreibenden Frauen – immer wieder behaupten. Die Rechtfertigungsstrategie zielte darauf ab, die gesundheitlichen Vorteile für den weiblichen Körper und die weibliche Psyche zu betonen. So kämen „üppige Fettansätze“ bei Fechterinnen so gut wie nie vor, sondern eine „gleichmässige Kräftigung aller Teile des Körpers“. Auch der Diskurs über die „nervöse Frau“ wurde aufgegriffen und das Fechten als Mittel gegen weibliche Neurasthenie empfohlen.

Der Sportdress orientierte sich überdies an den zeitgleichen Debatten über weibliche Reformkleidung. Fechterinnen trugen zumeist eine Kombination aus Rock und Pumphose sowie schwarze, sichtbare Strümpfe.

Auch in dem hier gezeigten Foto der Fechterin, Olympiasiegerin (1925) und ersten Fechtweltmeisterin Helene Mayer (1910-1953), sieht man die schwarze Mode der Fechterinnen.

Im weiblichen Fechtsport wurden nicht nur Geschlechterdiskurse verhandelt, auch Klassenfragen spielten eine Rolle, indem das Fechten als eine adäquate Form der weiblichen Selbstverteidigung stilisiert wurde, die in bewusster Abgrenzung zum proletarischen Boxsport verortet wurde.

Wenn ihr mehr über Sport und Frauen~bewegung erfahren möchtet – unsere Ariadne 69 widmete sich auf 80 Seiten dem Thema Geschlechtergeschichte und Sport. Unter anderem untersuchten unsere Autor*innen hier den Hürdenlauf, Frauenfußball, Bergsteigen und Frauen-Skispringen, aber auch Sport und Homosexualität, der Casseler Frauen-Ruder-Verein und andere sportive Themenfelder sind Gegenstand der Artikel. Eine Übersicht zu den Artikeln mit kurzen Abstracts gibt es hier: 

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LOP - Louise-Otto-Peters-Gesellschaft

Die Bestände des Louise-Otto-Peters-Archivs sind eine Quelle für das Portal „Frauen machen Geschichte. Leipziger Frauenporträts“, ein Projekt der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V., das schon mehr als 200 Frauenbiografien mit Leipzig-Bezug umfasst und jährlich erweitert wird. https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/leipziger-frauenportraets/

Zum Schlagwort SPORT gibt es bisher neun spannende Biografien vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hier vier Beispiele:

Fanny Goetz (1867-1947) engagierte sich für die Verbesserung der Frauenkleidung und für Mädchen-Schulturnkleidung. 1917 war sie die erste von den Stadtverordneten gewählte Frau, die besoldete Vorsteherin eines Armendistrikts wurde, und ab 1919 gewählte Leipziger Stadtverordnete der Deutschen Demokratischen Partei. Diese erstmalige Recherche ihres Lebens durch Dr. Ingeburg Zeidler und Dr. Gerlinde Rohr regte weitere LOPG-Vereinsprojekte an:

So das Leseheft „Ihr habt da was vergessen … Frauengeschichte sichtbar machen!“ Materialien zur sächsischen Geschlechter- und Frauengeschichte (s.a. Abbildung) https://www.louiseottopeters-gesellschaft.de/leseheft-fempulse und das Ausstellungsprojekt  https://www.louiseottopeters-gesellschaft.de/fempulse/frauen-im-sport

Herta Wunder-Fey (1913-1992) war 1928 mit 15 Jahren jüngste deutsche Schwimm- Teilnehmerin der Olympischen Spiele in Amsterdam, stellte 1930/31 zwei Weltrekorde auf und führte ab 1954 als hauptamtliche Trainerin junge Sportler/-innen zu olympischen Erfolgen.

Kay Espenhayn (1968-2002) war erfolgreiche Paralympics-Teilnehmerin in Atlanta 1996 und Sydney 2000. Sie stellte mehrere Schwimm-Weltrekorde auf. 2001 wurde sie als erste Deutsche im Behindertensport zur UNICEF-Botschafterin berufen.

Ingeburg Wonneberger gehörte zum ersten Studienjahrgang der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig und war die erste Frau, die dort promovierte. Sie engagierte sich auf wissenschaftlichem, sport- und gesellschaftspolitischem Gebiet besonders für die sportliche Betätigung der Frauen und ihrer Familien.

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Bildunterschrift
Beitrag über Fanny Goetz im Portal "Frauen machen Geschichte. Leipziger Frauenporträts"

FMT - FrauenMediaTurm

Heute teilen wir mit euch ein Fundstück, das als Schenkung seinen Weg zu uns gefunden hat: Ein Mädchen-Turn- und Spielbüchlein von 1914. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Büchlein, das nur 12,6 x 9 cm misst. Auf 288 Seiten gibt es Anleitungen zu sogenannten Leibesübungen, Gruppenspielen und zu Fragen geeigneter Turnkleidung.

Denn ein Problem stellte die zeitgenössisch für Frauen und Mädchen als schicklich geltende Sportkleidung dar. Sie führte zu Problemen bei der Ausführung vieler Übungen, deshalb plädierten die VerfasserInnen des Turnbüchleins von 1914 für den ultimativen Kompromiss: die Rockhose (Busch & Zangerle 1914, 16). Die AutorInnen beschreiben das Kleidungsstück nicht nur, sie liefern im Anhang gleich ein Schnittmuster dieses revolutionären Kleidungsstückes mit. Auf das Korsett kommen sie hingegen nur kurz zu sprechen: „Das Turnen im Korsett ist unmöglich und deshalb von der Leiterin strengstens zu verbieten“ (ebd. 18) heißt es als Randnotiz.

Eine weitere Besonderheit des Büchleins: die Verfasserin hat die Übungen vorgeturnt und der Verfasser hat sie bildlich festgehalten! Es sind insgesamt 207 fotografische Abbildungen in dem kleinen Werk zu finden. Die Mehrheit dieser Abbildungen sind Fotografien, in denen auch die gepriesene Rockhose gut zur Geltung kommt.

Das Turnen war von seinem Beginn im frühen 19. Jahrhundert an ein politisches Projekt: Für Aufklärung, Nationalbewegung und 1848er Revolution spielte diese neue Art der Erziehung und Disziplinierung des Körpers eine wichtige Rolle. Vormals ein vor allem beim Tanzen und Fechten gepflegter Zeitvertreib des Adels, sollte es nun den vorerst kollektiv-männlichen Körper der Nation formen. Das Turnen wurde deshalb zur großen bürgerlichen Volksbewegung und damit ein Pfeiler der demokratischen sowie nationalistisch-völkischen Strömungen im deutschsprachigen Raum. In diesem Spannungsfeld bewegte sich auch der Kampf der Frauen um die Teilhabe – am Turnen wie an den politischen Bewegungen der Zeit. Der Wert dieser kurz vor dem Ersten Weltkrieg veröffentlichten Quelle liegt deshalb auch in ihrer Ambivalenz.

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Bildunterschrift
Busch, P.J. / Zangerle, M.: Mädchen-Turn- und Spielbüchlein, Mönchen-Gladbach 1914.
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Anleitungen mit Fotos aus dem Mädchen-Turn- und Spielbüchlein, Mönchen-Gladbach 1914.
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Schnittmuster für Turnkleidung, aus: Busch, P.J. / Zangerle, M.: Mädchen-Turn- und Spielbüchlein, Mönchen-Gladbach 1914.
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Collage mit Abbildungen aus dem Mädchen-Turn- und Spielbüchlein, Mönchen-Gladbach 1914.

baf e.V. - Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs

Bildunterschrift
Ausschnitt aus Programm des Sport- und Bewegungsvereins für Mädchen und Frauen in Tübingen von 1997.

Fünf Jahre lang existiert in Tübingen ein Solitär der (Frauen-)Bewegungslandschaft der 1990er-Jahre. Sein kleiner Nachlass findet sich im Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs baf e.V.

Auf Initiative von zwei feministischen Sportpädagoginnen treffen sich im Herbst 1994 im Tübinger Frauencafé sieben Frauen zur Gründung des Sport- und Bewegungsvereins für Frauen und Mädchen (SBV 01). Er will Frauen und Mädchen jeglicher Beweglichkeit einen niedrigschwelligen Raum bieten, außerhalb des „herrschenden Sportverständnisses“ eigene Wege des Sich-Bewegens zu entdecken. Ohne Leistungsdruck und Wettkampf wollen die Initiatorinnen Möglichkeiten für Sport und Bewegung schaffen, „wie es uns nach unseren eigenen Maßstäben Spaß macht und wie wir uns mit unserem Körper lustvoll erleben können“ (ebd.).

Auf ehrenamtlicher Basis organisiert entsteht ein buntes, halbjährlich wechselndes Kursangebot: Selbstverteidigung, Körpererfahrung und Krafttraining, Qi Gong, Yoga und Akrobatik, Bewegungstheater, Kajak und Kreistänze, Tennis, Ballsportspiele und ein Lauftreff (BAF-Graue Literatur Ba-Wü, BW 375).

Aufgrund fehlender Hallen und Plätze für (Sport-)Vereine in Tübingen finden die Kurse zunächst in angemieteten (Privat-)Räumen, im Sportinstitut der Universität oder im Freien statt. Mit großem Einsatz gelingt es den Aktiven 1997, städtische Räume zu nutzen - einen abseits gelegenen Tennisplatz und eine kleine Schulturnhalle.

Insgesamt nehmen jedoch weniger Adressatinnen die Angebote wahr als von den Initiatorinnen erhofft. Das nur auf Mitgliedsbeiträgen und Kursgebühren basierende Budget bleibt so zu gering, um neben Mietkosten auch angemessene Honorare an Kursleiterinnen auszuzahlen. Nicht von Erfolg gekrönt sind zudem die Anstrengungen, den Verein über bezuschusste Stellen oder das „Förderprogramm Frauenforschung“ des Landes auf eine solide Basis zu stellen (SBV 02).

So beraumen die Vereinsvorsitzenden im Herbst 1998 einen „Offenen Gesprächsabend“ an: Alle „bisherigen Kursteilnehmerinnen und andere interessierte Frauen“ sind zur „Rückschau“ auf vier Jahre „feministische Sport- und Bewegungskultur“ eingeladen. Die von diesem Abend erhofften Impulse für ein „neues Profil“ des Vereins bleiben jedoch aus. 1999 wird der Sport- und Bewegungsverein für Frauen und Mädchen e.V. aufgelöst.

Ein Trost: Die Vereinsunterlagen sind der Nachwelt, der Forschung - oder für den Versuch, ähnliche Projekte anzugehen, erhalten geblieben.

Eine Liste des Archivmaterials finden Sie nach der Eingabe des Vereinsnamens in unserer Bewegungskarte.

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FrauenGenderBibliothek Saar

Frauen in Bewegung, das Motto des internationalen Frauentags 2002, nimmt das „Aktionsbündnis Internationaler Frauentag“ wörtlich und plant für den 10. März 2002 erstmals einen Frauenlauf, der bis heute stattfindet.

So heißt es in der Pressemitteilung von 2002: „Laufen und Walken sind in“ und weiter: „Frauenläufe werden immer beliebter.“ Und nun, ab 2002 bildet der erste Saarbrücker Frauenlauf den Auftakt der diesjährigen Reihe von Frauenveranstaltungen in Deutschland und Europa.“

Natürlich ist bereits der erste Frauenlauf in Saarbrücken eine Benefizveranstaltung; der Reinerlös des Laufes geht an die Menschenrechtsorganisation für Frauen Terres des Femmes e.V. zur Unterstützung von Bildungsprojekten für Frauen und Mädchen in Afghanistan.

Die Tradition des Frauenlaufs ist seit über 20 Jahren in Saarbrücken ungebrochen –2022 hat auch das Team der FrauenGenderbibliothek Saar erfolgreich daran teilgenommen: Alle haben glücklich das Ziel erreicht.

Mehr Infos zur FGBS

Bildunterschrift
Frauenlauf Saarbrücken 2002 und 2022, Team der FrauenGenderBibliothek, FGBS, Arch 74-1-1 und Arch 162-1.

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