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3. Juni - Weltfahrradtag

Teasertext

Auch das Radfahren mussten sich Frauen erst erkämpfen. Zum Weltfahrradtag erinnern i.d.a.-Quellen an Anfänge und aktivistische Aktionen, die auch heute wieder aktuell sind.

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Rad, Velo, Radl oder Bike und Fiets(e) – ein- und zweisilbige Wörter kennzeichnen grundlegende Lebenszusammenhänge der Menschen, so wie Brot und Wein, Feld und Wald, Mensch und Tier, Haus und Hof etc. Da erstaunt es, dass nach vielen Vorformen erst Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Fahrrad in Deutschland produziert wurde, zunächst nur im Sport verwendet, dann auch als Verkehrsmittel. Und gleich stiegen auch selbstbewusste Frauen auf das Rad, die sich der empörten patriarchalen Beschimpfungen erwehren mussten. Weil die Bekleidungskonventionen noch vorschrieben, dass Frauen keine Hosen tragen durften, wurde das Damenrad ohne Querstange erfunden. So hatten zwar lange Röcke Platz, blieben aber trotzdem hinderlich und die Stabilität des Rades war eingeschränkt.
Amelie Rother, damals Vorsitzende des Damen Radfahr-Klubs, soll als erste Frau in Berlin – über den Blücherplatz – pedaliert sein. Lily Braun bezeichnete das Rad als Emanzipator (Die Frauenfrage, 1901) – für bürgerliche Frauen, ebenso Rosa Mayreder. Erst ab den 1920er-Jahren wurden Räder auch für Arbeiterinnen erschwinglich und so immer mehr zum massentauglichen Verkehrsmittel durch eigene Muskelkraft. Fakten zur Frauen-Fahrradgeschichte finden sich im EMMA-Heft 2022/4. Und zu erwähnen ist auch, dass es immer noch Länder gibt, in denen Frauen das Radfahren verboten ist, wie in Saudi-Arabien und im Irak (Stand 2020).
Von einem Mittel zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter ist das Fahrrad heute zu einem Mittel und Symbol für die Durchsetzung der Gleichberechtigung aller am Straßenverkehr Teilnehmenden geworden. Die UNO bestätigte auch deshalb in ihrer Vollversammlung am 12. April 2018 die Resolution, den 3. Juni als World Bicycle Day – den Weltfahrradtag – zu feiern.
Damit sollen heute alle Staaten ermuntert werden, eine nachhaltige Mobilitäts- und Infrastruktur zu schaffen, um die Straßensicherheit (auch für zu Fuß Gehende) zu erhöhen; das Fahrrad zu nutzen aus Gründen der Nachhaltigkeit und als Symbol für bessere Gesundheit und für mehr Toleranz. Außerdem unterstützt Radfahren 11 von 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 weltweit erreicht werden sollen (vgl.: Beitrag auf diamant.de).
Zelebrieren wir also das Fahrradfahren an diesem Weltehrentag und nutzen wir es alle Tage als ökologischstes Verkehrsmittel zu unser aller Nutzen!

FMT - FrauenMediaTurm

Alles begann mit einem Zitat zum „Radeln“, das uns auf eine archivarische Reise schickte: 900 km in den Südosten und ins Wien der Jahrhundertwende.

Dort wurde zwischen 1902 und 1917 die feministische Zeitschrift „Neues Frauenleben“ herausgegeben. Sie war die Nachfolgerin von „Dokumente der Frauen“ (1899 bis 1902), richtete sich in erster Linie an Frauen der Arbeiterklasse und galt als offizielles Sprachrohr des 1893 gegründeten Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins. Die österreichische Frauenrechtlerin Rosa Mayreder (30.11.1858 - 19.01.1938), fast 10 Jahre lang die Vizepräsidentin des Vereins, hielt, so konnte man in der April 1902 Ausgabe der Zeitschrift lesen, am fünften Januar 1902 einen Vortrag, in dem sie „das Radeln“ zum Sinnbild der neuen Gemeinsamkeit und Kameradschaftlichkeit zwischen den Geschlechtern machte. Diese sei nirgendwo so deutlich zu sehen, wie im Sport, besonders aber beim Fahrradfahren. Denn hier lege die Dame alle Eigenschaften ab, die sie zu einer solchen machen würden und die Geschlechter begegneten sich deshalb auf Augenhöhe.

Mayreder hatte die Beliebtheit des Fahrrads bereits seit den 1870er Jahren verfolgt. So war sich die Frauenrechtlerin in ihrem Vortrag sicher, dass auf kultureller Ebene „[D]as Bicycle […] zur Emanzipation der Frauen aus den höheren Gesellschaftsschichten mehr beigetragen [hat], als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammengenommen“ (Mayreder 1998 [1905], 138).

Wer den Vortrag 1902 verpasst hatte, konnte ihn in ihrem erstmals 1905 erschienenem Sammelband „Zur Kritik der Weiblichkeit“ nachlesen. Heute ist er in verschiedenen Editionen zugänglich, auch in unserer Bibliothek.

Literatur:
Vereinsnachrichten. Allg. Österr. Frauenverein in: Neues Frauenleben XIV (4) April 1902, Wien, S. 18. 
Vereinsnachrichten. Allg. Österr. Frauenverein in: Neues Frauenleben XV (4), April 1903, Wien, S. 23.

Bildunterschrift
Zitat und Bild von Rosa Mayreder
Bildunterschrift
"Neues Frauenleben" - Bände aus dem Bestand des FMT, Z-GE.036
Bildunterschrift
"Neues Frauenleben" - Beitrag in FMT, Z-GE.036
Bildunterschrift
Close-Up auf Passage im Beitrag aus FMT, Z-GE.036
Bildunterschrift
Fahrraddemo der Frauengruppe „Aktion Gegenwind“ zu den Atomwaffendepots am Niederrhein (1981)

Kölner Frauengeschichtsverein e.V.

„Aktion Gegenwind“ hieß die Fahrrad-Demo, mit der Kölner Frauen im Juli 1981 gegen die atomare Bedrohung durch Waffendepots am Niederrhein demonstrierten. Die Frauen legten den Weg von Köln bis zum Stationierungsort der Atomwaffen mit dem Fahrrad und entsprechenden Transparenten zurück. Diese Frauen-Fahrrad-Ralleys gegen Kriegsvorbereitung wurden 1981 außer von Köln aus auch von Mannheim und München gestartet. Den Abschluss bildete am 8. August der Frauentag in Den Haag. Viele der Kölner Frauen beteiligten sich 1983 aufgrund ihrer Erfahrungen bei der „Aktion Gegenwind“ auch aktiv am Frauenwiderstandscamp im Hunsrück. In ihrem Selbstverständnispapier formulierten sie dazu „In gemeinsamen Diskussionen und Aktionen wurde uns zunehmend deutlicher, daß der Militarismus - als organisierte und institutionalisierte Gewalt und Destruktion – die Wurzel und gleichzeitig das wesentliche Instrument der Unterdrückung von Frauen im Patriarchat ist“ (ohne Verf., ohne Dat.)

Mehr Infos zum Kölner Frauengeschichtsverein e.V.

AddF - Archiv der deutschen Frauenbewegung

Die Geschichte des Fahrrads ist eng mit der Geschichte weiblicher Emanzipationsbestrebungen verbunden, darüber gibt die Publikation „Sie radeln wie ein Mann, Madame“ der ehemaligen AddF-Mitarbeiterin Gudrun Maierhof und Katinka Schröder vortrefflich Auskunft.

Das Radfahren hatte für Frauen von Beginn an immer auch eine politische Komponente, die vor allem mit der Kleidungsfrage der Radfahrerinnen verbunden war. Denn damit Frau genügend Bewegungsfreiheit zum Radfahren besaß, wurde die einengende Korsettmode gegen praktischere Hosen oder geteilte Röcke getauscht; fahrradfahrende Frauen in Reformkleidung verstießen also bereits rein äußerlich gegen geltende Konventionen und Rollenbilder ihrer Zeit und provozierten damit einhergehend die medizinische, ethische und gesellschaftliche Debatte.

In Großbritannien demonstrierten Suffragetten auf ihren Fahrrädern für das Frauenwahlrecht, im Deutschen Reich trafen sich erste Frauenrechtlerinnen zum gemeinsamen Radfahren durch Berlin.

In unserem Bestand findet sich die Abbildung einer fahrradfahrenden Postbotin der Fotografin Alice Matzdorff aus dem Jahr 1915. Matzdorff (1877 – 1932) war Fotografin in Berlin, wo sie ihre fotografische Ausbildung beim Lette Verein erhielt und 1905 ein eigenes Fotoatelier eröffnete.

Ihre Fotografien wurden in renommierten Publikationen abgedruckt und bekannte Persönlichkeiten wie die Sozialreformerin Thekla Friedländer oder der Revolutionär Karl Liebknecht ließen sich von ihr porträtieren. Während des Ersten Weltkriegs fotografierte sie vor allem Frauen, die bis dahin in männlich dominierten Berufen tätig waren – aus dieser Reihe stammt auch die radelnde Postbotin. Im Meta-Katalog findet ihr zahlreiche digitalisierte Fotos von Alice Matzdorff.

Wenn ihr mehr über Fotografinnen im AddF erfahren wollt, schaut auf unserer Website vorbei - hier stellen wir euch 12 Kurzbiografien vor. Außerdem erfahrt ihr alles zu unserer biografischen Recherche im Blog des Digitalen Deutschen Frauenarchivs.

Selbstverständlich könnt ihr auch gerne in Kassel vor Ort recherchieren und euer Fahrrad am passenden Fahrradständer des AddF anschließen!

Mehr Infos zum AddF

Bildunterschrift
Maierhoff, Gudrun/ Schröder, Katinka: „Sie radeln wie ein Mann, Madame“ , Kassel 1992
Bildunterschrift
Postbotin in Uniform auf Fahrrad, AddF, Kassel, Sign.: A-D2-00173
Bildunterschrift
Fahrradständer vor dem AddF
Bildunterschrift
Hermi Hirsch mit einem T-Shirt der „Frauen für den Frieden“ bei der Fahrraddemo am 9. 6. 1979 in Wien (Positiv, 12 x 18 cm), 1979, Fotografin: Hirsch, Burgi - AT-STICHWORT, Sign.: II F 419
Bildunterschrift
"Die erste Aktivität der Frauen für Frieden" - Rückseite zu: Hermi Hirsch mit einem T-Shirt der „Frauen für den Frieden“ bei der Fahrraddemo am 9. 6. 1979 in Wien (Positiv, 12 x 18 cm), 1979, Fotografin: Hirsch, Burgi - AT-STICHWORT, Sign.: II F 419

 

STICHWORT. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung

„Feminismus ist Friedenspolitik! Alles, was sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung, Hierarchie, gegen Vermachtung und Verohnmachtung, gegen Verelendung, gegen Gewaltanwendung zur Konfliktlösung wendet, ist Friedenspolitik. Es gibt keinen anderen Frieden, und es gibt keine andere Form menschenwürdigen Zusammenlebens.“ (Hermi Hirsch in einem Briefinterview mit Elisabeth Parzer: Interview: Friedensbewegung und Feminismus, in: AUF, 1982, Heft 32, S. 33-35, hier S. 35)

Die von Hermi Hirsch initiierte, im April 1979 gegründete Gruppe Frauen für den Frieden war Teil der österreichischen Friedensbewegung. Im Juni des selben Jahres nahmen die Frauen für den Frieden an einer Fahrraddemo in Wien teil, von der dieses Foto stammt. Es zeigt Hermi Hirsch vor dem Rathauspark mit einem T-Shirt der Frauengruppe.

Hermi Hirsch (1924–1990) war eine engagierte Linke und Feministin, die sich für die Rechte von Frauen, für Frieden und Solidarität einsetzte. Sie war u. a. auch im Redaktionskollektiv der AUF. Eine Frauenzeitschrift, in der Plattform für den 8. März und im Bund Demokratischer Frauen aktiv. Ihr Beisl [Kneipe] in der Wiener Innenstadt war ein Treffpunkt linker Künstler*innen.

Mehr Infos zu STICHWORT

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